Der Seelenfänger aus dem Vatikan hat es schon wieder fertiggebracht, fast die halbe Welt über seine neue Enzyklika jubeln zu lassen. Sein päpstliches Rundschreiben zur Ökologie "Laudato si" mache den Weißgewandeten geradezu zum "Grünen Papst", zum Vorreiter der Naturschutzbewegung, frohlocken große Teile der Medien.
In gewisser Weise den Vogel schießt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ab. Als ob sie noch nie von den jahrzehntelangen gewaltigen Anstrengungen, Ideen und Aktionen der verschiedenen Umweltverbände gehört hätte und die Tatsache übersehend, dass kein einziger Gedanke in dieser Ökologie-Enzyklika des Papstes wirklich neu ist, erklärt die Ministerin in fast schon grenzenloser Einfalt, dass "die klare Sprache dieser Enzyklika und die Tiefe der Gedanken Anstöße bieten, die weit über die katholische Welt hinaus Wirkung entfalten werden."
Die Grünen der ersten Stunde – die Gruhls, Kellys, Bahros usw.- müssen sich geradezu im Grab umdrehen, denn zunächst wurden sie jahrzehntelang, auch von offiziellen Vertretern der Kirche, verächtlich gemacht, beschimpft, verunglimpft, zu Exoten und Narren erklärt.
Auch Papst Franziskus bildete da keine Ausnahme. Noch in seinem ersten päpstlichen Rundschreiben "Evangelii gaudium" und in einigen Interviews machte er sich lustig über Umweltschützer, die in ihrer Begeisterung für die Natur "Bäume anbeten oder Gott in einem Baum sehen". Er verspottete "das spirituelle Bad", das Ökologen "im Kosmos" nähmen. Aber auch ganz seriös theologisch verwies der Papst zum Zeichen seiner Linientreue auf einen seinen päpstlichen Vorgänger, den Wojtyla-Papst Johannes Paul II., den er ja inzwischen auch heiliggesprochen hat und der die unverrückbare Linie der Amtskirche im Hinblick auf Tier- und Pflanzenwelt offiziell markiert. Wojtylas Dekretierungen bezüglich unseres Verhältnisses zur außermenschlichen Natur sind eine Katastrophe, das Dokument einer überaus verengten, arroganten Anthropozentrik, und der neue Papst hatte sich in all seinen bisherigen theologischen Publikationen nie davon distanziert.
"Tiere, Pflanzen und leblose Wesen", verkündet der Wojtyla-Papst in seinem zur verbindlich-offiziellen Lehre der Kirche gehörenden Katechismus der Katholischen Kirche, "sind von Natur aus zum gemeinsamen Wohl der Menschheit von gestern, heute und morgen bestimmt … Gott hat die Tiere unter die Herrschaft des Menschen gestellt", den er allein und exklusiv nach seinem Bild geschaffen habe. "Somit darf man sich", dekretiert der Katechismus weiter, "der Tiere zur Ernährung und zur Herstellung von Kleidern bedienen".
Schlachthäuser und Textil- wie Pelzindustrie konnten dem Papst dankbar sein! Man darf die Tiere der Papstdoktrin zufolge auch "zähmen, um sie dem Menschen bei der Arbeit und in der Freizeit dienstbar zu machen". Auch Tierversuche erlaubt der Katechismus großzügig: "Medizinische und wissenschaftliche Tierversuche sind in vernünftigen Grenzen sittlich zulässig".
Allerdings widerspreche es "der Würde des Menschen, Tiere nutzlos leiden zu lassen und zu töten". Aber wenn dies zum Wohl und Nutzen des Menschen geschehe, wenn es "der Sorge um die Lebensqualität des Nächsten" und "einer gerechten Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dient", leiden und sterben sie der päpstlichen Lehre zufolge ja nicht nutzlos. Deshalb sei es des Menschen auch nicht würdig, "für sie Geld auszugeben", und man sollte ihnen auch nicht "die Liebe zuwenden, die einzig Menschen gebührt". Legitimiert, so der Katechismus, sei diese Verkündigung der Kirche durch die Bibel. Gott habe "die Tiere dem Menschen unterstellt". Der biblische Text (Gen. 1,28) "legt die Weite und Tiefe der Herrschaft an den Tag, die Gott dem Menschen schenkt. Es geht … um die Herrschaft über die Erde und alle Tiere."
Das also ist die Kultur des Lebens, die der mit höchstem Geltungsanspruch auftretende Katechismus der Katholischen Kirche gestalten möchte und in der Tiere, Pflanzen und unbelebte Materie im positiven Sinn gar nicht vorkommen, vielmehr zu totalen Sklaven des Menschen, zu Nutz- und Ausbeutungsobjekten desselben degradiert sind und keinerlei Eigenrechte besitzen. Der Katechismus hinkt den modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen über Intelligenz, Leistungen und Sozialleben der Tiere und Pflanzen erschreckend hinterher, aber man wird schwerlich eine Aussage von Papst Franziskus in all seinen bisherigen Schriften und auch in seiner neuesten Enzyklika finden, die der im Katechismus dargestellten offiziellen Lehre der Kirche widerspricht.
Aber wie soll auch das Papsttum glaubwürdig und konsequent eine echte Kultur des Lebens, eine wirkliche ökologische Abkehr von den festgefahrenen und unser Raumschiff Erde unweigerlich in die Katastrophe befördernden Bahnen der großkapitalistischen Ausbeutung aller Lebenselemente verkünden und praktizieren, wenn es selbst am Status der alles Habenden in besonders privilegierter Weise teilhat, mit zahlreichen Konzernen sowie den entscheidenden Machern und Instanzen in Wirtschaft, Finanzwelt, Staat und Gesellschaft verflochten ist?
Auch Papst Franziskus sang noch bis vor kurzem in seinen zahlreichen Veröffentlichungen zur Theologie und Pädagogik das Hohelied von der Einzigartigkeit und absoluten Vormachtstellung des Menschen allen anderen Geschöpfen gegenüber. In diesen Publikationen kamen die Natur, kamen Tiere und Pflanzen kaum, schon gar nicht system- oder strukturrelevant vor.
Aber nun die Wandlung des Chamäleons, die Bekehrung des anti-, zumindest unökologischen Saulus zum ökologischen Paulus! Fernab jeder Reue oder Scham über fast 2000 Jahre falscher kirchlicher Verkündigung des mörderischen Primats des Menschen über die Natur feiert nun Papst Franziskus nicht mehr nur überschwänglich seine Einsicht, "dass alles miteinander verbunden ist", betont er nicht nur die Notwendigkeit "der Achtung vor jedem Lebewesen", sondern macht er sich auch schon wieder zum Praeceptor mundi, zum Lehrer und Vorreiter der Menschheit in oecologicis, maßt er sich sofort wieder höchstrichterlich an, die Umweltzerstörungen als Todsünde zu qualifizieren, obwohl er als Vertreter einer Kirche, die nichtchristliche Stämme und Völker, Ketzer, Schismatiker, Mystiker, Apostaten, Kinder, Jugendliche und Tiere millionenfach gemordet bzw. missbraucht hat, am wenigsten dazu befugt ist. Ohne das geringste Spurenelement eines Schuldbekenntnisses setzt sich der päpstliche Parasit direkt ins Zentrum des Wirtsorganismus Ökologie und tut so, als ob er mit dem höchsten Recht des Stellvertreters Gottes auf Erden von Anfang an dahin gehörte und nun mit vollster Berechtigung als Ökopapst gefeiert werden müsse.
Schon regt sich eine bekannte Theologin, Marianne Heimbach-Steins, Professorin für christliche Sozialwissenschaften an der Universität Münster, auf, weil es "jetzt schon Stimmen gibt, die dem Papst … die Kompetenz absprechen, zu den brisanten Fragen etwas zu sagen". Obwohl der Theologe Bergoglio alias Franziskus I. wenig von Wirtschaft und Finanzen versteht, fast nur Leerformeln gegen die drei Ks., den Kapitalismus, die Konzerne und den Konsum in die Welt hinausschleudert, moraltheologisch fühlt er sich schon wieder ganz in seinem Element, indem er die von der Kirche jahrhundertelang abgesegnete Ausbeutung der Erde jetzt plötzlich als Todsünden geißelt: "Ein Verbrechen gegen die Natur zu begehen, ist eine Sünde gegen uns selbst und gegen Gott". Die Kirche begeht dem Papst zufolge diese Sünde natürlich nicht, es sind nach ihm vielmehr die Machthaber, aber auch die normalen Menschen, die gleichgültig sind, bequem resignieren oder blind der Technik vertrauen. Scharf kritisiert der Papst unsere "Gewohnheit, in dem Gedanken aufgewachsen zu sein", "dass wir Eigentümer und Herrscher der Erde (seien), berechtigt, sie auszuplündern". Dass die Kirche die breiteste Grundlage und Grundberechtigung für diese Gewohnheit geliefert hat, erwähnt der Papst natürlich mit keinem Wort. Er spricht ständig von "ökologischer Schuld", von einem "perversen System von kommerziellen Beziehungen und Eigentumsverhältnissen", aber obwohl die Kirche tausendfach in diese Beziehungen und Verhältnisse involviert ist, verbietet sich der Papst den geringsten Hinweis auf ihr eigenes gewaltiges Schuldkonto.
Trotzdem: Eine Reihe von ökologischen Vorschlägen des Papstes, die sich vornehmlich an den kleinen Mann wendet, ist nützlich, wenn auch nicht neu. Man solle Müll vermeiden und trennen, solle, wie er selbst damals noch als Erzbischof von Buenos Aires, öffentliche Verkehrsmittel nutzen, überflüssige Lampen ausschalten, auch den Kauf unnötiger oder gefährlicher Produkte boykottieren, neue Formen der Wiederverwertung erfinden, zu einer besseren Energieeffizienz der Städte beitragen usw. usf. Aber dass die Kirche selbst eine der ungeheuersten und ungeheuerlichsten Umweltsünden der Menschheit begeht, macht der Papst nicht zu seinem Thema. Gegen das ungeheure Anwachsen der Weltbevölkerung hält er nur den Rat parat, höchstens drei Kinder in die Welt zu setzen und ansonsten verantwortliche Elternschaft zu üben. Wenn aber jetzt einer denkt, dass dann zu dieser verantwortlichen Elternschaft auch Pille und Kondom gehören müssten, täuscht er sich schwer. Obwohl wir in einer Welt voller künstlicher Produkte und Medikamente rund um uns herum leben, sind Pille und Kondom in den Augen des Papstes ganz besonders künstlich und unnatürlich und als solche einem Katholiken weiterhin verboten.
Stattdessen betont der große Pathetiker, dass die Kirche über viele natürliche und naturgemäße Methoden verantworteter Elternschaft verfüge. Das ist ein grobe Unwahrheit, denn in Wirklichkeit reduziert sich dieses ganze Sammelsurium an natürlichen Methoden auf lediglich zwei: die Ogino-Knaus-Methode, mit der die meisten Frauen überfordert sind, weil sie Buch über ihre unfruchtbaren Tage führen müssen, an denen ihnen der Koitus mit dem Ehemann kirchlicherseits gnädiglich erlaubt ist, und die vom Katechismus der katholischen Kirche empfohlene Enthaltsamkeit, die den Eltern vermeintlich zu größerer Geistigkeit verhelfe.
Kurzum: Der Appell des Papstes, Katholiken sollten sich "nicht wie Karnickel vermehren", bleibt eine zwar die Sensationslust der Medien anregende und erheiternde Bemerkung, ansonsten aber eine nicht praktikable Aufforderung an die Eltern, koitale Abstinenz zu üben. Im Endeffekt ist dies eine unverschämte Einmischung in die innersten Angelegenheiten der Eltern und Familien. Die schlimmste Folge der päpstlichen Verbotshaltung in diesem Punkt aber ist die Tatsache, dass Papst Franziskus mit seiner diesbezüglichen Moraldoktrin am weiterhin exorbitanten Wachstum der Weltbevölkerung einen enormen Schuldanteil trägt. "Wenn man weiß, dass die Weltbevölkerung von heute etwa sieben Milliarden auf elf Milliarden im Jahr 2100 anwachsen wird, dann muss man auch als Kirche wissen, dass der enorme Anstieg an Menschen die Erde noch mehr ausbeuten wird als heute – sei es bei Wäldern, Landflächen, Wasser oder Energie. Und damit einhergehen werden Verteilungskämpfe und –kriege um diese Ressourcen" (S. Redmer).
Was des weiteren in der neuen Enzyklika des Papstes fehlt, ist der vehemente und dezidierte Protest gegen den überdimensionalen Fleischkonsum der Menschheit (allein in Deutschland 50 Millionen aus diesem Grund abgeschlachtete Tiere pro Jahr, davon 28 Millionen Schweine). Die katholische Kirche trägt eine alle ihre Geschichtsepochen belastende Erbschuld am makabren Leiden der Tiere mit sich, die auch durch Franziskus I. nicht beendet wird. Nichts wird er gegen die Orgien der Fleischesserei tun, die gerade an den jährlich wiederkehrenden kirchlichen Hochfesten regelmäßig ihren Höhepunkt erreichen. "Zwar gerieren sich die christlichen Großkirchen als die berufenen Verwalter und Linderer menschlichen Leids und Elends – zumindest verbal". Aber "ohne den Tod von Millionen 'Mitgeschöpfen' (wie sie im deutschen Tierschutzgesetz genannt werden), die gut durchgebraten die Festtagstafel krönen, sind hierzulande weder Weihnachten noch Ostern denkbar. Von zynischer Symbolkraft ist die Tatsache, dass ausgerechnet an einem 25. Dezember (1865) das Zeitalter der industriellen Massentötung von Tieren begann – mit der Eröffnung der Union Stock Yards, der Schlachthöfe von Chicago" (I. Bossenz in Neues Deutschland)
Wahrlich, auch dies ein Triumph des Christentums, das außer in einigen auch wegen ihres Vegetarismus noch verfolgten kleinen Sekten dem Kannibalismus an den Tieren nie Einhalt gebieten konnte und in seinen Hauptströmungen auch gar nicht wollte!
Aber natürlich hatte Papst Franziskus schon vor seiner jetzigen Ökologie-Enzyklika die endgültige Lösung der Ökologieproblematik in der Tasche. In seiner ersten Enzyklika "Evangelii gaudium" erklärte er schon, dass man im Grunde überhaupt kein Problem in der Welt, also auch nicht das ökologische, ohne den Glauben an die Transzendenz lösen könne. Alle sollten sich "darüber im Klaren sein, dass in einem Leben ohne Transzendenz die Dinge zu Götzen und die Götzen zu Dämonen werden, die ihre vermeintlichen Nutznießer letztlich aussaugen und verschlingen", womit dann die ökologische Krise ohnehin beendet wäre, d.h. im totalen Chaos, der apokalyptischen Weltkatastrophe enden würde. Schlimmer noch als die ökologische Krise und deren allertiefste Wurzel sei doch der "Betrug an der Person. Denn letztlich kann eine Anthropologie nicht darauf verzichten, die menschliche Person zu jener einen Person in Bezug zu setzen, die transzendent ist und den Menschen in ebendieser Transzendenz erst eigentlich begründet". Insofern kann "reine Vernunft, reine Wissenschaft, reine Kunst, die reine Staatsform" allein aus sich heraus die ökologische Problematik nicht meistern, ihre "vermeintliche Reinheit" von aller Transzendenz, also ihre absolute Autonomie führe "letztlich immer in den Nihilismus" und damit auch in die ökologische Katastrophe.
Das also ist die von diversen Medien gepriesene "neue Form des Umweltbewusstseins", das Papst Franziskus entwickelt: Die Lösung des Ökologieproblems liegt in der Transzendenz. Am Ende muss eben, bildlich gesprochen, immer das Jesuslein einspringen! Ohne Bild gesagt: Ohne göttliche Hilfe ist die Umweltkatastrophe nicht abzuwenden. Daher können die an Gott Glaubenden ruhig gelassen bleiben. Wie sagte es doch der gütige, ebenfalls von Franziskus I. bereits zum Heiligen beförderte Johannes XXIII.: Wenn die Weltbevölkerung weiterhin so enorm anwachse, werde die Vorsehung schon ein Mittel finden, um diesem Anstieg ein Ende zu bereiten. Zur Freigabe künstlicher Empfängnisverhütungsmittel war auch er nicht bereit.
Wir sind wieder einmal Zeugen eines sich in allen Phasen der Kirchengeschichte wiederholenden Theaters, das darin besteht, dass die Kirche jeder Errungenschaft, jedem Fortschritt stets zuerst ein schroffes Nein entgegenschleuderte, dass dann viele Jahrzehnte, manchmal ganze Jahrhunderte später die Herren der Kirche schweren Herzens sich zu einem Jein durchrangen, und dass sie schließlich den keineswegs durch sie bewirkten Fortschritt, die keineswegs durch sie zustande gekommenen Errungenschaften triumphal als die ihren, als den entscheidenden Beitrag der Kirche und des Papsttumes zum kulturellen, moralischen, sozialen und nun auch ökologischen Fortschritt der Menschheit proklamierten. Die Wahrheit aber ist, dass jede Verbesserung in punkto Gleichheit und Freiheit der Menschen, in Bezug auf das Los der Frauen, der Arbeiter, der Ausgebeuteten, der Kinder, der Sklaven, der Tiere, Pflanzen usw. gegen den – oft erbitterten – Widerstand des Papsttums durchgesetzt werden musste.
Deswegen stelle ich im Hinblick auf das eben Gesagte und auf die neue, teilweise so überschwänglich gefeierte Öko-Enzyklika von Papst Franziskus zum Schluss die Frage: Ist er ein großer Mensch? Sicherlich ist er ein charismatischer Priester, ein Seelenfänger, ein den Sehnsüchten der Gläubigen und dem von vielen empfundenen Mangel an Zuwendung gnädig entgegenkommender Allesumarmer, Allesumfasser, Allesversöhner. Aber verglichen mit wirklich großen Persönlichkeiten, groß auch und gerade im Hinblick auf ihr Eintreten für den außermenschlichen Teil der Schöpfung, ist Bergoglio/Franziskus eine kleine Nummer, eine unbedeutende Erscheinung in der Geschichte des Verhältnisses der Menschheit zum Tier, zur Natur.
Man denke nur an Albert Schweitzer, der die Berücksichtigung der gesamten Natur geradezu zum Kriterium einer Ethik, die diesen Namen verdient, erhoben hat. "Ethisch ist der Mensch nur, wenn ihm das Leben als solches, das der Pflanze und des Tieres wie das des Menschen, heilig ist … wenn er der Nötigung gehorcht, allem Leben, dem er beistehen kann, zu helfen, und sich scheut, irgend etwas Lebendigem Schaden zu tun … Das Leben als solches ist ihm heilig … Ethik ist ins Grenzenlose erweiterte Verantwortung gegen alles, was lebt". Der Mensch müsse sich begreifen als ein Wesen in unzertrennlicher Solidarität mit allem, was da west und lebt, als ein Wesen, das von sich sagen kann: "Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will".
Und während die große Persönlichkeit des genialen Philosophen, Theologen, Ethikers und Musikers Schweitzer ihre theoretischen Maximen auch in die Praxis umsetzte, indem er als Arzt von Lambarene in einem Teil Afrikas aufopferungsvoll und selbstlos Leben rettete und heilte, beschränkt sich Franziskus I. auf Aktionssymbolismus, auf symbolische Gesten, die die allzu glaubensbereiten, allzu glaubenssüchtigen Massen zu der Illusion verleiten, diese Gesten seien bereits reale Taten der Hilfeleistung und Notlinderung. Showmaster Franziskus macht es sich leicht und triumphiert trotzdem! Auch mit einem anderen Großen, dem Physiker Albert Einstein, kann der Papst nicht mithalten. Trotz seiner Zeit und Kraft absorbierenden Fokussierung auf die wichtigsten theoretischen Probleme der Physik bewahrte Einstein stets Verstand, Gefühl und Engagement für das von Menschen verursachte Elend der Tiere, das die meisten Herren der Kirche inklusive Papst absolut kalt lässt. Die mit dem Fleisch von Tieren überreich gedeckten Tafeln der Oberschicht der Kirche, der Päpste, Kardinäle, Bischöfe, Prälaten usw. bei ihren diversen internen, Laien fernhaltenden Festen bezeugen diese Kälte zusätzlich. Auch Papst Franziskus lässt sich natürlich, wie sein Spitzenbiograph Englisch vermeldet, gern mal einen Kalbsbraten servieren. Wie hoch über dem Bild, das uns die Führungsschicht der Kirche bietet, steht doch der geniale Schöpfer der Allgemeinen und der Speziellen Relativitäts-theorie, wenn er betont: "Nur das Leben im Dienst andrer ist ein lebenswertes Leben", wobei er den Bereich dieses Dienstes auf alles Leben ausweitet: "Leben des Individuums hat nur Sinn im Dienst der Verschönerung und Veredelung des Lebens alles Lebendigen. Leben ist heilig, d.h. der höchste Wert, von dem alle Wertungen abhängen". Wichtig sei "die Heiligung des über-individuellen Lebens", also des Lebens, das über das individuelle Ego hinausgehe und auch die Tiere und Pflanzen umfasse. Nur so sei auch die fortschreitende Vergeistigung der Menschheit möglich.
Während die hohe Geistlichkeit beider Konfessionen mit feierlichen Hubertusmessen das Gemetzel an den wildlebenden Tieren segnet, umrahmt und gutheißt, verurteilte Einstein auch die "Lust am Töten", die mit der Jagd verbunden ist, "empfindet er beim Gedanken an eine Jagdpartie einen starken und unmittelbaren Abscheu, während ich doch bei so vielen meiner Mitmenschen … eine ganz entgegengesetzte seelische Reaktion vorfinde. Ich weiß, dass diese tiefgehende Diskrepanz von Menschen meiner Art als tragisch empfunden wird". Einstein konstatiert einen Einfluss der seelischen Haltung gegenüber der Tierwelt "auch auf das gefühlsmäßige Verhalten der Menschen gegeneinander". Kurz und prägnant hat es der von Einstein hochverehrte Philosoph Arthur Schopenhauer auf den Punkt gebracht: "Wer gegen Tiere grausam ist, kann kein guter Mensch sein".
Eindeutig erklärt sich Einstein zugunsten einer vegetarischen Ernährungsweise: "Nichts wird die Chance auf ein Überleben auf der Erde so steigern wie der Schritt zur vegetarischen Ernährung". Aber er meint es nicht bloß ökologisch-ökonomisch, sondern auch in dem Sinn, dass die fleischlose Kost vergeistigend, humanisierend wirkt: "Rein durch ihre physische Wirkung auf das menschliche Temperament würde die vegetarische Lebensweise das Schicksal der Menschheit äußerst positiv beeinflussen können."
Einstein hat recht. Fleischkonsum verdunkelt, verhärtet, desensibilisiert den inneren Menschen, unser tiefstes Selbst. Wie kann man aber auch eine wirkliche Humanität, eine echte Mitmenschlichkeit und überhaupt die eigene Vervollkommnung ansteuern und halbwegs verwirklichen, wenn man zugleich weiß, dass man seine Schwestern und Brüder, die Tiere tötet? Es ist unmöglich, eine höhere geistige Note seiner Persönlichkeit zu erreichen, wenn man Tiere quält, verletzt, ausbeutet, jagt, schlachtet, in welcher Form auch immer misshandelt.
Aber Kirche, das beweist auch der Bergoglio-Papst, der sich zu Unrecht den Namen des tierliebenden Mönchs Franz von Assisi zugelegt hat, will den Menschen im Grunde gar keine höhere Humanität, Spiritualität, Ethik beibringen, denn das könnte ja dazu führen, dass sie ihre "Hirten" einerseits, ihren Status als gehorsame "Schafe" andererseits in Frage stellen. Nein, Kirche ist und bleibt primär Kirche für die Masse, und deshalb wird ihr auch der Papst keinen Verzicht auf Fleischkonsum nahelegen, weil dieser Konsum geradezu konstitutiv zur Definition der Masse gehört.
Unter diesem Aspekt der zügellosen Fleischgier sind allerdings auch die meisten Herren der Kirche Massenmenschen! Noch ein dritter Großer, wahrscheinlich der Größte unter ihnen, sei hier erwähnt, weil er ebenfalls, ja ganz besonders durch seine Theorie und Praxis die Kleinheit jeder kirchenabhängigen Persönlichkeit und die Beschränktheit ihrer anthropozentrischen Sicht der Welt anschaulich werden lässt: Mahatma Gandhi. Von ihm sagt Einstein: "Künftige Generationen werden es kaum glauben können, dass ein Mensch wie er jemals in Fleisch und Blut auf dieser Erde wandelte". Kraft seines gewaltfreien, auch langjährige Haft, Schläge und Folterungen in Kauf nehmenden Widerstandes gegen das britische Empire zwang er dieses zur Aufgabe seiner Herrschaft über Indien. Er brachte das uralte hinduistische und buddhistische Prinzip der ahimsa, der Nicht-Gewalt, des Nicht-Tötens, Nicht-Verletzens von allem, was lebt, durch sein selbstloses Handeln und Leiden zu neuer, alles überstrahlender Leuchtkraft (wiewohl auch er wusste, dass selbst der Unschuldigste sich, wenn auch relativ minimal, schuldig macht, wenn er Pflanzenkost, ohne die er nicht leben kann, zu sich nimmt).
Er selbst sah die Quelle seiner Kraft in der schon erwähnten ahimsa und der satjagrah, dem liebenden, entschlossenen, mutigen Ergreifen (agrah) der radikalen Wahrheit (satja), das auch nicht davor zurückschreckte, unpopuläre Entscheidungen zu treffen, die im Extremfall dann auch zum Tod führen können.
Bekanntlich hat Gandhi seine unbestechliche Prinzipienfestigkeit mit dem Leben bezahlt. Ein verblendeter Fanatiker tötete ihn. Mit seinem Leben und Sterben bewies Gandhi die von ihm verwirklichte Einheit von Theorie und Praxis. Kein Wort kam von ihm, das er nicht durch die Praxis seines Lebens bestätigt hätte. Er starb für die Wahrheit seiner Überzeugung, dass "ein Mensch nicht wahr sein kann, wenn er nicht alle Geschöpfe liebt", dass "Wahrheit und Liebe daher zusammen die vollständige Selbstaufopferung sind."
Zwar redet auch Papst Franziskus immer wieder von totaler Liebe und Bereitschaft zur Selbstaufopferung. Aber wenn das mehr als Worte sein sollten, müsste er sofort die Strukturen der absolutistischen päpstlichen Monarchie inklusive der total korrupten Kurie und die mit allen kapitalistischen Cliquen und mafiosen Korporationen kollaborierende Vatikanbank abschaffen bzw. auflösen. Damit riskierte er zwar auch Attentat und Tod, was man keinem zumuten kann, ausgenommen dem, der ständig wie der Papst davon spricht, dass wahre Liebe zu Gott und seiner Kirche auch den Tod in Kauf nehmen müsse, der als schlagendster Beweis dieser Liebe zu gelten habe. Und damit sind wir wieder bei der Heuchelei der frommen Phrasen, der großen Worte, die durch keine Tat gedeckt werden und dem christlichen Klerus so leicht von den Lippen rutschen. Genau das hat Gandhi angeprangert: "Ich bin davon überzeugt, dass das Europa von heute nicht den Geist Gottes oder des Christentums verwirklicht, sondern den Geist Satans. Und der Satan hat den größten Erfolg, wo er mit dem Namen Gottes auf den Lippen auftritt. Europa ist heute nur noch dem Namen nach christlich. In Wirklichkeit betet es den Mammon an: 'Leichter kommt ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Reicher in das Reich Gottes'. Das sind Worte Christi. Seine sogenannten Anhänger messen ihren moralischen Fortschritt an ihrem materiellen Besitz". Einer der Kommentatoren dieser Aussage Gandhis bekräftigt noch: "Es ist der christlich geprägte Kulturkreis, der die Welt an den Abgrund der Selbstvernichtung geführt hat".
Zwar macht der Papst viel Aufhebens um seine Armutstheologie, die dem Eindruck, die Kirche diene dem Mammon, entgegenwirken soll, aber wir haben auch diesbezüglich längst erkannt, dass ebenfalls in diesem Punkt die Phraseologie die Herrschaft über die tatsächliche Praxis behält.
Es ist außerordentlich bezeichnend, dass das Papsttum einen, vielleicht sogar den ersten Ökologen der Neuzeit, den Dominikanermönch Giordano Bruno im Jahr 1600 auf dem Scheiterhaufen verbrannt hat. Die Herren der Kirche, auch Papst Franziskus, haben ihm bis heute nicht verziehen, dass er ihr langweilig-düsteres Weltbild durch ein Multiversum von leuchtendster Schönheit und kraftvollster Lebendigkeit ersetzte, dass er allen lebenden Wesen eine gleichwertige und gleichberechtigte Psyche zuordnete. Deshalb "mussten" sie ihn doch auf dem Altar ihrer irren und starren Dogmatik opfern. Daher wäre es doch endlich wenigstens eine einzige praktische und praktikable ökologische Aktion seitens des Papstes, wenn er Giordano Bruno jetzt feierlich urbi et orbi zum echten Märtyrer der Wahrheit und Vorbild für alle ökologisch Gesinnten erheben und ihn endlich vom immer noch auf ihm lastenden Kirchenbann, von jeglicher Exkommunikation und Suspension befreien würde!
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Zur Vertiefung des eben Gesagten und Gewinnung eines umfassenden Bildes von Papst Franziskus verweise ich auf mein Buch: Papst Franziskus. Die kritische Biografie, Tectum-Verlag, Marburg 2015.

Erscheinungsdatum: 07.12.2017