Wer Wirklichkeit verändern will, lernt die Wirklichkeit erst kennen. Die Wahrheit dieses Satzes hat Hubertus Mynarek durchlebt, nachdem er das Recht freier Meinungsäußerung für sich in Anspruch genommen und die römisch-katholische Kirche verlassen hat. An seinem Fall wird deutlich, wie sehr wir auch in Deutschland trotz gegenteiliger Bekundungen von einer Trennung vom Staat entfernt sind und mit welcher Brutalität gegen Dissidenten vorgegangen wird. Dies gilt nicht nur für den römisch-katholischen, sondern auch für den evangelischen Bereich, wie ich selbst als ehemaliger Professor für Neues Testament seit der Beanstandung meiner Lehre durch die Konförderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen erfahren musste.
Die beiden großen Kirchen in Deutschland nehmen gezielt gemeinsame Interessen wahr, wozu auch die Sicherung ihres gegenwärtigen Besitzstandes gehört. Ein Ende ihrer Herrschaft ist nicht in Sicht. Nicht umsonst beschäftigen ihre Leitungsorgane genau soviel Juristen wie Theologen.
Hubertus Mynarek ist für mich ein säkularer Held. Eine seiner großen Tugenden, die schonungslose Wahrhaftigkeit, schränkt indes seine Wirkung ein. Er kann nicht mehr, wie es seine kirchlichen Gegner als kirchliche Amtspersonen gezwungenermaßen tun, den Anspruch erheben, Sprachrohr Gottes zu sein. Sondern er redet und schreibt so, dass Millionen ihn verstehen. Seine Stimme ist leise, genauso wie die Stimme der Vernunft.