in „Die Welt“, 27.6.2018, S. 2, zum Thema: Papst, Abtreibung, Taufe

Dem Plädoyer von Herrn Stein zum Abtreibungsverbot der Kirche kann ich voll zustimmen. Aber die ganze Problematik des menschlichen Lebewesens im Mutterleib aus Sicht der Kirche ist damit nicht adäquat wiedergegeben. Denn nach der katholischen Glaubenslehre ist das Menschenkind vor der Geburt wie nach ihr, wenn es noch nicht getauft ist, mit der Erbsünde belastet und somit unter der Herrschaft des Teufels, der erst durch einen Taufexorzismus aus ihm herausgetrieben werden muss. Ohne Taufe kommt es nicht in den Himmel, in die ewige Seligkeit in Gemeinschaft mit Gott.

Papst Franziskus hat zwar feierlich betont: „Die ungeborenen Kinder sind die Schutzlosesten und Unschuldigsten von allen, denen man heute die Menschenwürde absprechen will, um mit ihnen machen zu können, was man will.“ Doch er verschweigt, dass sie nach der Lehre der Amtskirche gar nicht unschuldig sind, noch gar keine Menschenwürde haben, da sie auch im Mutterleib mit der Erbsünde behaftet sind und unter der Herrschaft Satans stehen. Er betont zwar: „Menschliches Leben, auch das ungeborene, ist immer etwas Heiliges und Unantastbares, in jeder Situation und jeder Phase seiner Entwicklung“, aber er hebt die offizielle Lehre der Kirche nicht auf, weil menschliches Leben erst durch die Taufe gereinigt wird und eine Würde erlangt.

Auch der von Papst Johannes Paul II. herausgegebene und die Gläubigen verpflichtende „Katechismus der katholischen Kirche“ flüchtet sich ins Unverbindliche, ohne aber das Himmelsverbot für die ohne Taufe verstorbenen Kinder aufzuheben. Sie kommen in eine Art Vorhimmel, bleiben aber von der ewigen Seligkeit ausgeschlossen.

Fazit: Das unschuldigste Lebewesen, das man sich denken kann, ein Kind im Mutterleib oder ein gerade geborenes, das aber noch nicht getauft ist, wird von den irdischen »Wächtern des Paradieses« nicht in den Himmel eingelassen, weil es eben keine Taufe empfangen hat. Wenn Papst Franziskus nicht die Gelegenheit ergreift, diese Lehre der Amtskirche abzuschaffen, hat er kaum mehr eine Berechtigung, abtreibenden Frauen Grausamkeit vorzuwerfen.

Gruß
Dr. Hubertus Mynarek

Erscheinungsdatum: 13.07.2018